Hintergrund des Skandals
Vor genau vier Jahren, am 15. Juli 2020, platzte eine finanzielle Bombe: die Commerzialbank Mattersburg wurde geschlossen. Gegründet 1995 von Martin Pucher, war die Bank lange Zeit ein fester Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens im Burgenland. Doch durch jahrelange Bilanzfälschungen und dubiose Geschäftspraktiken kam es zum Zusammenbruch. Die Schließung durch die Finanzmarktaufsicht (FMA) offenbarte einen Schaden von 528 bis 690 Millionen Euro.
Betroffene und Schäden
Die Auswirkungen der Pleite sind immens und betreffen zahlreiche Einzelpersonen und Unternehmen:
- Gläubiger: 419 Gläubiger meldeten sich nach der Insolvenz der Commerzialbank.
- Forderungen: Diese Gläubiger stellten Forderungen in Höhe von insgesamt 838 Millionen Euro. Bisher wurden 809 Millionen Euro dieser Forderungen geprüft und festgestellt.
- Unternehmen und Vereine: Viele große Unternehmen und der Bundesligaverein SV Mattersburg, der eng mit Martin Pucher verbunden war, sind betroffen.
Juristische Aufarbeitung
Die juristische Aufarbeitung dieses Skandals ist komplex und langwierig. Bis heute gibt es erst einen abgeschlossenen Prozess:
- Erste Verurteilungen: Im Januar wurden die beiden Ex-Vorstände der Commerzialbank, Martin Pucher und Franziska Klikovits, wegen Schweigegeldzahlungen zu elf beziehungsweise acht Monaten bedingt verurteilt. Martin Pucher wurde in Abwesenheit verurteilt, da er als schwer krank und nicht verhandlungsfähig gilt.
- Neue Anklagen: Kurz nach diesem Prozess erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erneut Anklage gegen Pucher, Klikovits und drei Unternehmer. Ihnen wird Untreue, Veruntreuung und Beteiligung daran vorgeworfen.
Ermittlungen und Verfahren
Die Ermittlungen in dieser Causa sind umfangreich und dauern weiterhin an:
- Ermittlungen: Derzeit laufen noch Ermittlungen gegen 22 Personen und neun Unternehmen.
- Einvernahmen und Konten: Bis dato wurden 990 Einvernahmen durchgeführt und 4.300 Konten geöffnet.
- Verhandlungstermine: Zwei der angeklagten Unternehmer haben Einspruch gegen die Anklage erhoben. Der Ball liegt nun beim Oberlandesgericht Wien, ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Wirtschaftlicher Schaden
Der wirtschaftliche Schaden ist enorm:
- Gesamtschaden: Rund 70 Millionen Euro Schaden sollen durch die Machenschaften von Pucher und Klikovits entstanden sein. Davon sollen 40 Millionen Euro an ihnen nahestehende Unternehmen geflossen sein, und 30 Millionen Euro wurden als wirtschaftlich nicht vertretbare Kredite vergeben. Der Gesamtschaden ist jedoch noch viel größer, das genaue Ausmaß wird wohl erst in mehreren Jahren festzustehen, denn so lange werden die Gerichtsverfahren wohl noch dauern.
- Im Insolvenzverfahren am Landesgericht Eisenstadt meldeten insgesamt 373 Gläubiger und 77 Dienstnehmer Forderungen in Höhe von knapp 812 Millionen Euro an. Nach Bereinigung der Bilanzen belief sich die Insolvenzmasse auf 163,4 Millionen Euro Aktiva (Guthaben) und 868,9 Millionen Euro Passiva (Schulden). Dies führte zu einer Überschuldung von etwa 705 Millionen Euro.
- Pro Jahr verzeichnete die Commerzialbank Verluste von etwa 20 Millionen Euro aus ihrer Geschäftstätigkeit. Seit 2010 wurden der Bank widerrechtlich 156 Millionen Euro entnommen – sowohl in bar als auch in Form von Schecks. Davon gingen 57 Millionen Euro an den SV Mattersburg.
- Die Bank fälschte Einlagen bei anderen Banken im Wert von 424,4 Millionen Euro und vergab Kredite im Umfang von 177,7 Millionen Euro, die ebenfalls fingiert waren. Zudem wurden Termineinlagen um 85,5 Millionen Euro und Spareinlagen um 1,6 Millionen Euro zu niedrig verbucht. Insgesamt ergab sich dadurch ein nicht existentes Bankvermögen von 689,2 Millionen Euro.
- Von den 141 Millionen Euro an Geschäftskrediten der Bank sind 56 Millionen Euro notleidende Kredite, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zurückgezahlt werden können. Der Anteil dieser sogenannten „Non-Performing Loans“ beträgt knapp 40 %, was mehr als das Zehnfache des Durchschnitts bei europäischen Banken ist.
- Gemessen am Volumen der Passiva ist die Pleite der Commerzialbank Mattersburg laut dem Kreditschutzverband von 1870 der drittgrößte Insolvenzfall in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte.
Langfristige Auswirkungen
Die Auswirkungen des Skandals sind nicht nur finanzieller Natur, sondern betreffen auch die Stadtentwicklung und das öffentliche Leben:
- Pucher-Areal: Ein markantes Beispiel ist das sogenannte „Pucher-Areal“ in Mattersburg. Auf diesem Grundstück sollte ursprünglich die Zentrale der Commerzialbank errichtet werden. Nach dem Zusammenbruch der Bank liegt das Grundstück in bester Lage seit vielen Jahren brach. Ein Nachfolgeprojekt zum Bau des neuen Rathauses wurde im Mai wegen eines fragwürdigen Eigentümerwechsels gestoppt.
Fazit
Die Commerzialbank-Pleite bleibt einer der größten Wirtschaftsskandale in der Geschichte des Burgenlandes. Die juristische und wirtschaftliche Aufarbeitung wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Es zeigt sich, wie tief die Folgen von Wirtschaftskriminalität reichen und wie viele Menschen und Unternehmen davon betroffen sind. Bleibt dran für weitere Updates zu diesem langwierigen und komplexen Fall!